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Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es wurde schon darauf hingewiesen: Es ist nicht mehr lange hin bis zum 20. Juli, dem Tag, an dem wir an das Attentat auf Adolf Hitler vor 75 Jahren erinnern. Gedenk- und Jahrestage laden uns ein, innezuhalten und den Blick auf die Vergangenheit zu richten, um aus dieser Vergangenheit für die Gegenwart und für die Zukunft zu lernen. Dieses Ereignis ist zweifelsohne ein Symbol dafür, dass es in Deutschland nicht nur Anhänger des Nationalsozialismus gab, sondern auch einen sehr mutigen Widerstand.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Diesen mutigen Widerstand in seiner weltanschaulichen Breite und sozialen Vielfalt gab es überall, in allen gesellschaftlichen Schichten und unter allen weltanschaulichen Positionen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Diesen Widerstand wollen wir würdigen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisabeth Motschmann (CDU/CSU))
Wir wollen heute – darüber freue ich mich wirklich – ganz besonders darstellen, dass es eben nicht nur Männer waren, die diesen Widerstand getragen haben, sondern dass er auch ganz maßgeblich von Frauen gestützt wurde. Leider kam und kommt diese Tatsache oft zu kurz, wenn sie überhaupt Berücksichtigung fand oder heute noch findet. Denn obwohl man eigentlich wusste, dass es Frauen gab, die im Widerstand aktiv waren und darin oft auch eine zentrale Rolle einnahmen, und man gleich nach dem Zweiten Weltkrieg Literatur dazu hatte, hat die Forschung erst in den 80er-Jahren das Thema „Die Rolle der Frauen im Widerstand“ überhaupt thematisiert.
Lange Zeit – so ist es vielleicht in vielen Bereichen heute noch so – war die Erforschung des Widerstands getragen von Männern, mit dem Blick von Männern auf Männer natürlich. Die weibliche Seite wurde marginalisiert. Widerstandshandlungen, Widerstandsmotivationen und -konsequenzen von und für Frauen wurden dabei ausgeblendet. Selbstverständlich kann der Widerstand von Frauen nicht losgelöst von dem der Männer betrachtet werden. Aber die Frauen als reines Anhängsel der Männer zu bezeichnen, ist doch eine Unverschämtheit
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und zeugt von einer Geisteshaltung, von der ich dachte, dass man nicht einmal an einem bayerischen Stammtisch sich so etwas zu sagen traut. Nicht einmal mein Vater würde sich das heute zu sagen trauen. Er lebt nicht mehr; aber er hätte es sich nicht zu sagen getraut, auch wenn er schon über 80 wäre. Aber jetzt sagt man das im Deutschen Bundestag. Das ist unglaublich und ungeheuerlich.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Sie haben es ihm beigebracht!)
Ich wiederhole den mutigen Satz aus dem Antrag. Da heißt es nämlich:
Es ist Zeit für eine Perspektive, die inklusiv, differenziert, feministisch und genderkritisch mit dem Themenkomplex Frauen im Widerstand umgeht.
Denn es waren Frauen – ich sage es noch einmal – aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, die sich dem nationalsozialistischen Terror widersetzt haben, die unter Einsatz ihres Lebens Verfolgten geholfen haben, die aber gleichzeitig politisch aktiv waren, die die Rolle von Männern eingenommen haben, die verhaftet worden sind oder in Konzentrationslager verbracht wurden und die Faschismus und Kriegstreiberei angeprangert haben.
Alle kennen Sophie Scholl. Aber über Sophie Scholl hinaus gibt es noch eine Reihe von Frauen.
(Elisabeth Motschmann (CDU/CSU): Viele!)
Wir haben versucht, von all denen, von denen wir sie wussten, die Namen im Antrag zu nennen. Meine Redezeit reicht nicht aus, all diese Namen zu wiederholen. Aber ich bitte Sie herzlich, auch wenn Sie Anträge sonst nur überfliegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Lesen Sie diesen Antrag wirklich Zeile für Zeile! Denn auf vier Seiten wird das Engagement von vielen Frauen beschrieben, von denen wir wissen. Aber wir wollen ja mit diesem Antrag dafür sorgen, dass auch noch die anderen genannt werden können und auch deren Leistung ans Tageslicht gebracht wird.
(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Wir wollen die Gedenkstätte Deutscher Widerstand mit der Erforschung des Widerstands der Frauen im Nationalsozialismus beauftragen. Die Ergebnisse sollen in einer Ausstellung aufgearbeitet und auch digital gezeigt werden, um sie für eine breite Öffentlichkeit und auch die Wissenschaft zugänglich und nutzbar zu machen. Wir wollen aber auch, dass die pädagogische Arbeit, die Gedenkstättenarbeit in den ehemaligen Frauenkonzentrationslagern wie Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück gefördert und weitergetragen wird. Zum 80. Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler soll es Sonderbriefmarken geben, die den Beitrag von Frauen am Widerstand aufzeigen sollen.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen (SPD))
Noch eine ganze Reihe von weiteren Maßnahmen wollen wir ergreifen, um diesen wirklich mutigen Widerstand von Frauen aufzuzeigen und die Schicksale von Frauen und ihre Arbeit deutlich zu machen.
Ich will mit dem Zitat einer Frau enden, die ebenfalls im Antrag genannt wird, und zwar Gertrud Luckner, die als Christin über die Caritas verschiedene Hilfsaktionen plante und durchführte. Sie mahnt uns:
Geschichte ist doch eigentlich die Lehrmeisterin. Können wir nicht gerade aus dieser Geschichte sehr viel lernen? Vergessen darf man nicht, das ist nicht möglich, dann käme es vielleicht wieder vor.
Wir wollen die Grausamkeiten und die Gräueltaten der Nationalsozialisten nicht vergessen. Wir wollen die Orte des Erinnerns und der Aufarbeitung stärken.
Und ich sage noch einmal: Es ist an der Zeit, hier die Rolle der Frauen hervorzuheben. Insgesamt, glaube ich, können wir auch an den Reden, die heute in diesem Haus – ich komme noch einmal darauf zurück – gehalten werden, erkennen, dass wir alles daransetzen müssen, dass dieses Thema nicht untergeht und in seiner Breite und Vielfalt immer wieder auf die Tagesordnung kommt, auch wenn es manchen in diesem Haus nicht passt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Förderung der Kultur und Geschichte gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes ist eine Erfolgsgeschichte. Daran ändert auch die wirklich sehr, sehr begrenzte Sichtweise meines Vorredners nichts.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Gerne weise ich als Sozialdemokratin darauf hin, dass die Fördergrundlage, die diese Erfolgsgeschichte erst möglich macht, die sogenannte Konzeption 2000 ist. Sie stammt von der rot-grünen Bundesregierung und wurde im Jahr 2000 verabschiedet.
Zu den geförderten Einrichtungen gehören neben der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung hier in Berlin regionale Museen, Wissenschaftszentren, Austauschprogramme und Stipendien, um nur einen Teil davon zu nennen. Besonders freut mich, dass auch die Stiftung Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg – in meiner Oberpfälzer Heimat – gefördert wird. Dort wird eine sehr gute Arbeit geleistet. Wie ich aus eigener Anschauung weiß und wie man dem Bericht der Bundesregierung entnehmen kann, werden dort bundesweit einzigartige Kunstwerke aus Mittel- und Südosteuropa von der Romantik bis zur Gegenwart gezeigt, etwa Werke von Otto Dix, Käthe Kollwitz und Oskar Kokoschka. Es werden neue pädagogische Konzepte ausprobiert, zum Beispiel Programme für behinderte und chronisch kranke Kinder. Eine wirklich tolle Sache!
Es werden aber auch kleine Initiativen und Vereine unterstützt, beispielsweise bei der Sanierung, Restaurierung und dem Erhalt von Kirchen in Lettland, in Polen und der Tschechischen Republik.
Und ja, es geht auch um die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Ich bin dort seit dieser Legislaturperiode Mitglied im Stiftungsrat. Wir beschäftigen uns dort im Moment intensiv mit dem Konzeptentwurf für Bildung und Vermittlung sowie der geplanten Dauerausstellung des Dokumentationszentrums am Anhalter Bahnhof. Herr Staatssekretär hat darauf hingewiesen. Ich meine, der Entwurf dieses Konzepts beleuchtet ausführlich Vertreibung und Flucht der rund 14 Millionen Deutschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen mussten bzw. aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Aber schon der Name der Stiftung – Flucht, Vertreibung, Versöhnung – bringt doch zum Ausdruck, dass es nicht nur um die historische Aufarbeitung von Flucht und Vertreibung gehen kann, sondern dass es auch Aufgabe dieser Einrichtung sein soll, den Bogen in die Gegenwart zu schlagen, und dass der Versöhnungsprozess zentrales Anliegen der Arbeit der Stiftung sein muss.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Thomas Hacker [FDP])
Leider – und das möchte ich heute sehr kritisch anmerken – gibt es Mitglieder in diesem Stiftungsrat, die hier das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen. Und das Allerschlimmste für mich bei dieser Kampagne ist – das entsetzt mich wirklich –: Diese Stimmen werden vom Bundesinnenministerium unterstützt.
(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Hört! Hört!)
Und da, Herr Staatssekretär, wundere ich mich, dass Sie sagen: Da muss doch bald was vorwärtsgehen; das Ganze muss bald zu Ende gebracht werden. – Ja, an uns liegt es nicht.
(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])
An denen, die von uns in der Stiftung sind, liegt es nicht. Sie sind am Zug. Sagen Sie mal Ihrem Ministerium, dass wir im Jahre 2019 leben und dass es nicht angehen kann und auch nicht sein darf, dass jetzt plötzlich ein über die Jahre mühsam gefundener Grundkonsens über die Ausrichtung dieser Stiftung wieder aufgekündigt werden soll! Das kann wirklich nicht angehen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Simone Barrientos [DIE LINKE])
Ich möchte mit einem Zitat des Vizepräsidenten des Bayerischen Landtags, Markus Rinderspacher, schließen. Er sagte 2017 beim Empfang für Heimatvertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler der bayerischen SPD-Landtagsfraktion:
Brücken bauen, Rückblicken und Erinnern, geistiges Erbe fortsetzen, identitätsstiftende Kultur und Tradition pflegen, Vergangenes nicht vergessen und Geschichtsbewusstsein lebendig erhalten, Meinungen austauschen, Wahrheiten aussprechen, auch bisweilen unbequeme Wahrheiten anerkennen, …Grenzen überwinden, … sich mitteilen, auch zuhören, versöhnen, zusammenführen, für Verständnis werben und selbst verstehen wollen, sind die Voraussetzungen für ein auskömmliches und partnerschaftliches Miteinander einer Gesellschaft und zwischen Nationen.
In diesem Sinne, Herr Staatssekretär: Sorgen Sie mit uns dafür, dass diese Ausstellung kommt und dass das Konzept realisiert werden kann, und zwar möglichst bald!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Simone Barrientos [DIE LINKE])
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